Vorhang auf – für das Theater des Lebens

Vorhang„Wer bin ich und wenn ja, wie viele“
Wer kennt ihn nicht den großen Publikumserfolg von Richard David Precht.

In der Tat ist es so, dass wir im Leben viele Rollen besetzen. Schon als Kind sind wir nicht nur Kind sondern Schwester, Bruder, Nichte, Neffe, Kindergartenkind, Schulkind, Sportler, Musiker und vieles mehr.

Im Laufe des Lebens wird die Rollenverteilung nicht weniger sondern eher mehr.

Mit einigen Rollen können wir uns gut anfreunden, mit anderen nicht. Einige leben wir mit Hingabe und kosten sie voll aus, andere wiederum sind uns lästig und wir erfüllen sie nur mit Abscheu und Pflicht, versuchen sie so bald als möglich loszuwerden.

Manchmal sind wir nur Requisiteur oder Bühnenbildner für unsere Rollen, ein anderes Mal vielleicht sogar Drehbuchautor und Regisseur.

„Wie das?“ höre ich Sie gerade fragen.

Dann werde ich Ihnen ein paar Beispiele geben.

Nehmen wir einmal an, Sie sind eine Frau Anfang 40, die eine mittlere Führungsposition in einem großen, internationalen Unternehmen einnimmt. Sie betrachten nun diese eine Rolle und zwar als wären Sie der Zuschauer. Also nehmen Sie Platz in der ersten Reihe Parkett. Der Vorhang ist noch geschlossen und Sie warten gespannt auf das Bühnenbild, die Inszenierung und die schauspielerische Darbietung.

Bevor der Vorhang sich hebt sind schon ganz viele Dinge abgelaufen. Das Bühnenbild z.B. als Besprechungszimmer wurde bereits aufgebaut. Die Requisiten sind alle bereit gestellt, z.B. ein Flipchart mit Filzstiften, ein Beamer, ein Laserpointer und natürlich Kaffee, Kaltgetränke und Kekse.

Die Maskenbildner haben ebenfalls ihre Arbeit getan. Die „Managerin“ trägt einen grauen Hosenanzug, ist dezent geschminkt, ihre Haare sind korrekt zu einem Knoten aufgesteckt, unter ihrem Arm trägt sie einen Laptop mit entsprechenden Powerpoint-Dateien.

Nun öffnet sich der Vorhang und unsere Managerin betritt die Bühne. Gleich darauf kommen nacheinander die anderen Besprechungsteilnehmer auf die Bühne und nehmen ihren Platz ein.

Das Drehbuch hat entschieden, dass es sich bei den weiteren Besprechungs-teilnehmern um die Mitarbeiter der Managerin handelt. Es wird eine Statusbesprechung… Hier wird es einfach zu langweilig.

Szenenwechsel

Die nächste Szene findet zu Hause bei der Managerin statt. Sie steht in der Küche vorm Herd, trägt ausgewaschene Jeans und einen schlabberigen Pullover. Sie schneidet Paprika und Zwiebeln, hört ihrer Tochter gleichzeitig die Vokabeln ab und macht Notizen, was sie morgen einkaufen muss.

Szenenwechsel

Unsere Hauptdarstellerin trifft gerade Vorbereitungen für das Zubettgehen. Ihr Mann liegt schon im großen Doppelbett und wartet auf sie. Sie betritt die Bühne in einem sexy Negligé, in dem viel zu sehen ist, aber noch genügend der Fantasie überlassen wird. Mit gekonntem Hüftschwung nähert sie sich lasziv ihrem Partner, beugt sich über ihn…

Schnitt

Hier haben wir viele Rollen unserer Protagonistin kennen gelernt.
Die Managerin, die Chefin, die Hausfrau, die Mutter, die Köchin, die Lehrerin, die Partnerin und die Geliebte.

Denken Sie einmal nach wie viele Rollen Sie im Leben tatsächlich ausfüllen.
Sie werden erstaunt sein, „wer Sie sind und wie viele“.

4 thoughts on “Vorhang auf – für das Theater des Lebens

    • Hier gilt, wie für alles im Leben, „Nobody is perfect“.

      Es geht wohl eher darum Ausgewogenheit zwischen den geliebten und ungeliebten Rollen herzustellen. Oft sind die ungeliebten Rollen genau die, die viel Zeit in Anspruch nehmen (vielleicht kommt es uns auch nur so vor) oder unsere Kraft rauben.

      Was hält uns davon ab, die ungeliebten Rollen soweit wie möglich zu delegieren oder „out zu sourcen“? Unser Pflichtgefühl? (Manchmal auch leider das leidige Geld).

      Wir sollten danach streben, die geliebten Rollen zu priorisieren, ihnen mehr Zeit und Wichtigkeit widmen.

      Schon ist das Leben ein Stück leichter.

    • Viele Rollen müssen im Laufe des Daseins mit Leben gefüllt werden. Und nur die Rolle, die authentisch gelebt wird belastet einen selber nicht und die Umwelt nimmt sie einem ab. Jede andere, die geschauspielert wird, und das vielleicht auch noch schlecht, kann keinen Preis gewinnen. Deshalb nach Möglichkeit nur die Rollen übernehmen, die einem auch liegen.

      • Schön gesagt! Nur wer tut, was er liebt, kann eine authentische Persönlichkeit sein. Manchmal muss man aber leider auch die ungeliebten Dinge tun. Wenn sie nicht überhand nehmen, geht das wohl auch ohne zu großes Verbiegen.

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