Freie Sicht auf das Leben

Ein älterer Kollege erzählte mir, wie schön es vor vielen Jahren war, als er in einem Neubaugebiet sein Haus baute. Er erzählte darüber, wie alle Nachbarn, wenn er von der S-Bahn-Station kommend seinen Heimweg antrat, im Garten werkelnd ihn freundlich begrüßten und immer Zeit für einen kleinen Schwatz erübrigten.

Es wurden auf der Straße gemeinsam Straßenfeste veranstaltet und jeder trug etwas dazu bei. Der eine brachte seine Ziehharmonika mit und alle stimmten vergnügt Lieder an. Ein anderer stand am Grill und briet Würstchen und Steaks. Die Frauen hatten große Schüsseln mit leckeren Salaten  gefüllt. Die Männer stellten gemeinsam Gartenbänke und -tische auf, während die Frauen alles mit Blumen und Girlanden schmückten.

Man war gemeinsam fröhlich und gut gelaunt, verabredete sich zur gegenseitigen Hilfe und für weitere Festivitäten.

Heute, erzählte der Kollege, ist die Nachbarschaft wie ausgestorben, wenn ich mich auf den Weg mache. Man hört schon etwas, aber man sieht nichts mehr. Hecken und Gebüsch sind überdimensional groß gewachsen. Keiner legt mehr Wert auf einen nachbarschaftlichen Plausch oder ein gemeinsames Bier oder Gläschen Wein.

Es ist, als wenn die Hecken und Büsche Mauern bilden würden. Mauern, die alles ersticken und unterbinden, was Freude macht und soziale Bindungen schafft.

Die Streitereien unter den Nachbarn nehmen dafür täglich zu. Da ist auf einmal eine Pflanze zu nah am Zaun, die Zweige hängen über, die Sonne kann nicht mehr den Garten erreichen. Nachbarskatze, die bis dato in der Urlaubszeit vom Nachbarn versorgt wurde, wird nun mit allen Mittelchen vertrieben. Jede Katzenhinterlassenschaft dem Nachbarn vor die Tür gelegt. Dem kläffenden Hund wird per Anwalt das Bellen untersagt.

Jede Veränderung an Haus oder Garten, ein neues Auto oder ein größeres Gartenhaus, ein Swimmingpool, alles wird zum Neidobjekt.

In letzter Zeit häufen sich auch die Anzahl  der Überwachungskameras, die nicht nur auf das eigene Grundstück gerichtet sind. Selbst Lauschangriffe hielt er nicht mehr für unwahrscheinlich. Demnächst kämen sicher auch noch ein paar Drohnen dazu.

Was glauben Sie, würde passieren, wenn die Hecken und Büsche beseitigt, hohe Mauern abgerissen würden?

Würde sich der soziale Zusammenhalt wieder herstellen, so ganz von allein, nur weil man sich sieht?

Aus Feng-Shui-Sicht grenzen Hecken, Zäune oder Mauern die private Welt zur Außenwelt ab. Sie sind Schutz vor der hektischen Umwelt und ungebetenen Gästen.

In einem Garten ohne deutlich markierte Grenzen kann sich das Chi nur schwer sammeln. Durch den ständigen ungehinderten Energieaustausch mit der äußeren Umgebung ist es schwierig, Geborgenheit, Sicherheit und den persönlichen Charakter des Gartens zu wahren.

Wer sich aber zu stark von der Umwelt abschottet, läuft Gefahr wegen des überwiegenden Yin-Anteils für Ängste und Depressionen anfällig zu werden.

Auch traditionelle chinesische Gärten erlauben Einblicke in den Garten. Ich nenne sie scherzhaft die Feng-Shui-Löcher, die meist eckig aber auch rund in Mauern oder Hecken eingelassen werden.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, Menschen, Tiere und Pflanzen fühlen sich in einem Luft- und Sichtdurchlässigem Garten freier und wohler.

Man kann wieder am öffentlichen Leben teilnehmen, wenn man will. Wenn ich meine Ruhe haben möchte, dann ist ein lauschig gestaltetes Plätzchen in der Tiefe des Gartens vollkommen ausreichend.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen kommunikationsfördernden Garten.

Haben Sie Freude am Leben und genießen Sie mit allen Sinnen!

Wut-entbrannt und Hass-erfüllt?

neuroplastizitaet

Was macht uns eigentlich wütend? Wie entsteht aus einer „normalen“ Emotion die überbordende Wut? Wie kann Wut in Hass überschlagen? Was passiert da mit uns? Haben Wut und Hass in der evolutionären Weiterentwicklung eine Daseins-Berechtigung?

Fragen, die sich mir immer wieder stellen, wenn ich Nachrichten über Wutbürger, Amokläufer, aufgebrachte Menschenmengen, radikalisierte Demonstranten, etc. lese, höre oder sehe.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass es 4 Grund-Emotionen gibt, die jeder Mensch auf dieser Welt versteht: Furcht, Zorn, Trauer und Glück.

Wut und Hass gehören zu der emotionalen Kategorie „Zorn“, in der sich auch Empörung, Groll, Aufgebrachtheit, Entrüstung, Verärgerung, Erbitterung, Verletztheit, Verdrossenheit, Reizbarkeit, Feindseligkeit, aber auch im Extremfall Hass und Gewaltätigkeit befinden.

Finden wir nicht schon bei dieser Aufzählung Parallelen zu unseren Nachrichten?

Paul Ekman, ein amerikanischer Anthropholge und Psychologe, sagte zum Zorn: „Zorn ist die gefährlichste Emotion. Der ungebremste Zorn ist heute eines der großen Probleme, die die Gesellschaft zerstören. Unsere Emotionen haben sich in einer Zeit entwickelt, als wir noch nicht die Technik hatten, sie wirkungsvoll umzusetzen. Wenn man in vorgeschichtlichen Zeiten einen Wutanfall und einen Moment lang Lust hatte, jemanden umzubringen, war das nicht so einfach. Doch heute ist das ganz einfach geworden.“

Was läuft im Gehirn ab, wenn wir wütend werden?

Wenn wir etwas sehen, hören oder riechen sendet unser Gehirn einen Teil der Informationen direkt an den Mandelkern. Der Mandelkern ist der Bereich unserer emotionalen Erinnerungen. Er hat abgespeichert, ob wir uns zur Flucht oder zum Angriff rüsten müssen. Bevor sozusagen unser Verstand einsetzt, werden u.U. lebensrettende Maßnahmen sofort eingeleitet. Das ist ja auch notwendig, wenn wir einem gefährlichen Tier begegnen oder einer sonstigen gefährlichen Situation gegenüber stehen.

Erst danach wird die vollständige Information verarbeitet, unser „Verstand“ übernimmt die Kontrolle und korrigiert die vielleicht inadäquate Reaktion, in dem er sie neu beurteilt.

Überschäumende Emotionen des Mandelkerns werden im präfrontalen Kortex, also dem, was sich hinter unserer Stirn verbirgt, gezügelt. Dieser „Manager unserer Emotionen“ beauftragt  gleich eine „Kosten-Nutzen-Analyse“ aller erdenklichen Reaktionen und wählt den „Best-Case“ aus. Für den Best-Case haben wir Menschen ein großes Repertoire  zur Verfügung. Wir können beschwichtigen, überreden, um Sympathie werben, Schuldgefühle beim Gegenüber erzeugen, jammern, Verachtung zeigen, stören, behindern, verhindern, weglaufen oder angreifen.

Der Manager unserer Emotionen wird im Laufe eines Lebens geschult. Dabei hat unsere Kindheit einen wesentlichen Einfluss auf die Muster, die wir zur Reaktion auf Situationen zur Verfügung haben.

Die erste Lektion, die schon im Kleinkindalter gelernt wird, ist sich bei Aufregungen selbst beruhigen zu können. Säuglinge werden noch von den Eltern oder einer Betreuungsperson auf den Arm genommen und gewiegt, bis sie sich beruhigen. Dank dieser Erfahrung beginnt das Kind zu lernen, wie es dies auch allein erreichen kann.

Im Kindesalter können Eltern ihren Kindern weiter zeigen, wie man über seine Gefühle sprechen kann, dass emotionales „Fehlverhalten“ nicht gemaßregelt wird, sondern Problemlösungen angeboten werden.

Eltern oder Betreuer vermitteln also die wichtigsten Lektionen und bringen ihnen emotionale Gewohnheiten bei. So können sich die Verantwortlichen auf die emotionalen Bedürfnisse der Kinder einstimmen und diese befriedigen. Auch wenn eine Bestrafung notwendig wird, kann man dem Kind Empathie entgegenbringen und auf die Not des Kindes eingehen. Das ist auf jeden Fall wirkungsvoller, als die Not zu ignorieren und es durch Brüllen und Schlagen willkürlich zu bestrafen.

Im Kindesalter werden also schon die Schalter umgelegt, wie ein Mensch in seinem weiteren Leben reagieren wird. Glücklicherweise bleibt das menschliche Gehirn ein Leben lang lernfähig und kann alte Verhaltensweisen durch neue ersetzen. Das dauert dann aber ein bisschen länger und kann bis dahin viel Leid erzeugen.

Wenn ich kleine Geschichten aus meinem Umfeld höre, dann denke ich oft, was ist da bei der Erziehung schief gelaufen? Oder bin ich nur ein Traumtänzer, der nicht akzeptieren will, dass Wut und Hass zu unserem Leben dazu gehören?

Versucht einmal eure Gefühle zu erkennen und sie zu benennen. Wie drücken sich die Gefühle aus? Wie heftig sind sie? Wie könntet ihr anders damit umgehen? Versucht eure Impulse zu zügeln.

Was glaubt ihr, sind die nachfolgenden Reaktionen angemessen? Wer schädigt sich am meisten?

  • Ein älteres Ehepaar verkauft sein Haus,  das es schon seit über 40 Jahren bewohnt, weil im Nachbarhaus Asylbewerber eingezogen sind.
  • Mit Halbwissen werden Meinungen in sozialen Netzwerken verteilt, die bei genauerer Betrachtung nicht haltbar sind.
  • Verschwörungstheorien verbreiten Angst unter den Leichtgläubigen.
  • Vorm „Anderssein“, ob Glaube oder Äußeres, wird gewarnt und möglichst negativ ausgeschmückt, obwohl nicht eine einzige „Berührung“ zum Andersartigen stattgefunden hat.
  • Auf einem Klosterhof werden schwarze Kinder geschnitten. Man steht sogar auf, wenn diese sich auf eine Bank setzen.
  • Spielenden Kindern im Sandkasten wird von „weißen“ Müttern das Spielzeug aus der Hand gerissen und die eigenen Kinder weg gezogen.
  • Beim Erdkundeunterricht drehen sich alle zu dem einzigen farbigen Kind um, wenn über die Armut und das „primitive“ Leben gesprochen wird.
  • Bei der Wiedervereinigungsfeier halten junge Burschen Plakate hoch, auf denen steht „aus Ostpreußen vertrieben“. Nach Adam Riese ist das nicht möglich. Das können höchstens Eltern, eher Groß- oder Urgroßeltern sein.

Viel besser wären eine positive Einstellung zum Leben, Kommunikation, die Sichtweisen anderer verstehen und eine realistische Selbstwahrnehmung mit realistischen Erwartungen.

Lassen Sie uns in den nächsten Wochen damit arbeiten.

Redet miteinander!

Reden

Seit einiger Zeit geht es mir beim Lesen von Büchern so, dass ich ganz nervös und böse werde, wenn die Hauptfiguren im Roman einfach nicht miteinander reden wollen oder können.

Ja, wie im täglichen Leben. Man nimmt Rücksicht, man tut das nicht, man traut sich nicht. Und schon nimmt die Geschichte einen schmerzlichen Weg, anstatt direkt ins Happy-End zu steuern. Da wird gelitten, da wird verletzt, weil man nicht sagen will, was man empfindet. Das könnte doch peinlich werden, wenn der andere vielleicht nicht das Gleiche denkt und fühlt.

Gut, wenn jeder gleich sagen würde, was er denkt und fühlt, dann gäbe es vielleicht keine dicken Bücher mehr. Das wäre auch langweilig. Man könnte beim Lesen nicht mehr mitleiden und es gäbe keinen Grund mehr nach hinten zu blättern, ob raus zu bekommen wie alles ausgeht.

Was sich hier so spaßig und kurzweilig anhört, kann im täglichen Leben aber richtig ins Auge gehen.

Schon früh in unserer Kindheit wird uns anerzogen, unsere Emotionen abzuspalten. Wer kennt nicht die Sprüche wie „ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder „Jungen weinen nicht“.

Wir leben in einer sachlichen, nüchternen Welt. Das meinen die meisten Menschen. Das Sachliche gehört in die Öffentlichkeit, das Emotionale ins Private. Wir haben uns angewöhnt den öffentlichen Teil unseres Lebens vom privaten sauber zu trennen.

So langsam können wir gar nicht mehr anders als Emotionen und Gefühle zu unterdrücken. Das drückt sich sogar in unserer Sprache aus. Wir reden nicht mehr nur von Freiheit oder Zuneigung. Diese Worte haben ihre Wirklichkeit verloren und müssen „erklärt“ werden mit „wirklicher Freiheit“ und „echter Zuneigung“. Man schreibt nicht mehr dem Freund, sondern an den Freund. Das Verbindliche wird zur unbedeutenden Unverbindlichkeit.

Im letzten Buch, das ich gelesen habe, steht:
„Erwachsene sagen oft nicht, was sie meinen. Es findet keine Kommunikation statt, selbst wenn es um Liebe geht. Stolz, Wut und Unsicherheit machen das Glück unmöglich.“
(Lucinda Riley, Das Mädchen auf der Klippe)

Denkt darüber einmal nach und vor allem:

Redet miteinander!