Zur Adventszeit erinnere ich mich immer wieder gerne an meine Kindheit. Ja, da war das Leben für mich noch so gemütlich und beschützt. Ich erinnere mich aber auch gern an diese Zeit zurück, weil ich mich dann so verbunden mit den Menschen fühle, die nicht mehr hier auf Erden weilen.
Die Adventszeit war eine ruhige, aber auch eine geschäftige Zeit. Meine Oma Luise, meine Mutter, meine Schwester und ich saßen oft zusammen und handarbeiteten. Jeder an seinem eigenen Werk. Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich meiner Mutter Topflappen und einen passenden Läufer für ihr Küchenbuffet häkelte. Die Topflappen waren schnell erledigt, aber der Läufer zog sich doch sehr (sprichwörtlich) in die Länge. Jeden Nachmittag ging ich wieder frisch ans Werk. Obwohl ich schon dachte, dass ich es bis Weihnachten nie schaffen würde, fertig zu werden, nahm der Läufer immer mehr an Länge zu. Ja, irgendwie kam es mir ein bisschen eigenartig vor. Aber vor lauter Freude darauf, dass der Läufer auf dem Gabentisch liegen würde, dachte ich nicht mehr darüber nach. Erst sehr viel später habe ich erfahren, dass meine Oma am Abend, wenn ich schon schlief, wie ein Heinzelmännchen für mich weiterhäkelte.
Wisst ihr, da fällt mir ein Zitat von Friedrich von Schiller ein, das ich oft in meinen Handarbeitsheften gelesen habe:
Ehret die Frauen! Sie flechten und weben
himmlische Rosen ins irdische Leben.
Liebe Oma Luise, wenn du da oben auf mich herabschaust, dann sage ich dir heute noch danke für deinen kleinen „Betrug“. Das ist eben der wahre Geist der Weihnacht!