Den größten Teil unseres Lebens spielen wir ein Spiel „Tun wir so, als ob“. Wir leben hinter einer Maske und versuchen, etwas zu sein, was wir nicht sind.
Nach meiner ersten größeren Beförderung, die mit der Teilnahme am wöchentlichen Jour Fixe der Führungsmannschaft verbunden war, saß ich oft in dieser Runde und sagte zu mir: „Birgitt, jetzt spielst du wieder erwachsen sein.“ Viele Überzeugungen, Regeln und Anordnungen, die hier verabschiedet wurden, entsprachen nicht meinem wahren Wesen. Ich musste nicht Mitarbeiter wie eine Zitrone auspressen, sie unter Druck setzen um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Ganz im Gegenteil, ich war und bin der Meinung, wenn man einen Gemeinschaftsinn erleben lassen kann, dann steht der eine für den anderen ein, wie bei den Musketieren: Einer für Alle und Alle für Einen. Damit lag ich in den Augen meiner Mit-Führungskollegen und Vorgesetzten leider falsch. Und irgendwie musste ich „mitmachen“.
Wir leben in einer schönen Welt des Scheins. Jeder stellt etwas dar, was er gern sein möchte oder was die Umwelt von ihm erwartet und bemerkt gar nicht, dass er zu einem Menschen aus Pappmachée wird. Wenn man anklopft ist keiner zu Hause nur hohle Luft.
Oft können wir aber nicht so schnell unsere Maske ablegen, weil wir glauben, dann stünden wir nackt und bloß vor dieser Welt. Und manchmal haben wir uns schon so an unsere Maske gewöhnt, dass wir wirklich glauben, es wäre unsere eigene Haut.
Wenn wir ein Leben leben, indem wir anderen eine Fassade vorführen, verlieren wir den Kontakt zu dem, was wir wirklich sind. Wenn wir uns auf Rollen und Masken zurückziehen, sind die Worte, die wir sagen, leer. Die Menschen werden uns zwar zuhören, aber nicht glauben.
Aber einige Menschen würden lieber sterben, als sich von ihren Masken zu trennen. Selbst Menschen, die sehr krank sind, machen sich in erster Linie Sorgen über ihr Aussehen und den Eindruck, den sie auf andere machen.
Wenn jemand die Maske, die wir tragen, in Frage stellt oder beleidigt, fühlen wir uns, als würden wir innerlich sterben. Manche Menschen würden andere töten, um ihr öffentliches Bild aufrecht zu erhalten. Einige töten sich selbst, wenn dieses Bild verschwunden ist.
Wenn jemand die Vorstellung hat, dass nur eine Meinung richtig ist, nämlich die eigene, dann sind alle anderen Meinungen per sé falsch, was wiederum bedeutet, dass viele Menschen „falsch“ sind. Ist diese Anmaßung nicht total arrogant?
Wir leben fast alle eingesponnen in eine Arroganz, die völlig unangebracht ist. Wir glauben, etwas Wertvolles, Wichtiges zu machen. Diese Selbstgerechtigkeit und dieser falsche Stolz hindert uns daran, friedlich und in Liebe miteinander zu leben.
Sollten wir uns nicht eher bemüßigen, diese Arroganz abzulegen? Alles, was wir fühlen, hassen oder ersehnen sind unsere Projektionen auf die Welt. Es wäre besser zu erforschen, woher wir die Projektionen erworben haben.
Manchmal, wenn wir älter werden, wischen die Veränderungen in unserem Leben alte Bilder weg und nehmen schließlich Masken und Spiele fort.
Wer sind wir also, wenn das, was wir zu sein vorgeben, verschwunden ist? Was wird sich dann offenbaren? Warum ist es so schwer, den wahren Menschen „ohne Rang und Namen“ zu finden und Tag für Tag mit ihm zu leben?
Lassen wir mal den „wahren Menschen ohne Rang und Namen“ in uns
zu Wort kommen.
Schreibt ein paar Seiten darüber auf, wer ihr zu sein glaubt.
Wo liegen deine Stärken und deine Schwächen? Wie und wer wollt ihr sein?
Legt diese Seite weg.
Nehmt eine neue Seite und lasst den wahren Menschen ohne Rang und Namen sprechen und sagen, was er darüber denkt.