Die Macht der Demütigung

Klar, früher wurde man an den Pranger gestellt, ausgepeitscht oder gebrandmarkt, wenn man ein Verbrechen oder eine unehrenhafte Tat begangen hatte. Schüler, die ihre Schulaufgaben nicht gemacht hatten oder mit dem Nachbarn getuschelt hatten, wurden in die Ecke gestellt. Prügelstrafe war auch noch Gang und Gebe.

Heute ist das alles verboten und dennoch ist Demütigung immer noch ein Mittel der Macht. Es gibt heute z.B. durch die sozialen Medien noch viel wirkungsvollere Methoden. Diese werden dann auch öffentlich genutzt, um auszugrenzen, sich abzusetzen, Autorität auszuüben.

Im Jahr 2015 soll ein amerikanisches Mädchen sich selbst getötet haben, weil ihr Vater sie „öffentlich“ bestrafte, in dem er ihr ihre langen Haare abschnitt, dies mit seinem Smartphone filmte und in YouTube einstellte. Das Mädchen hatte ein Selfie in Sport-BH und Leggings zuvor an einen Jungen geschickt und das Bild kam irgendwie in Umlauf, was wiederum die Schulleitung bemerkte und den Vater verständigte. Das Mädchen ertrug die Scham nicht mehr und stürzte sich von einer Brücke.

Ich will den Wahrheitsgehalt nicht beurteilen, weil es meiner Recherche nach mehrere unterschiedliche Darstellung gab. Ohne Zweifel gibt es auf Facebook noch eine Seite „Justice for Izabel“.

Als ich die Geschichte von Izabel las, fiel mir gleich eine weitere Geschichte ein, die einem meiner Klienten widerfahren war. Er erzählte mir als 60-jähriger Erwachsener, dass er als 7 oder 8 Jähriger irgendetwas mal in der Schule vermasselt hatte. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an die „Tat“ erinnern. Sie scheint in meinem Gedächtnis keine wirklichen Spuren hinterlassen zu haben. Aber das weitere Verhalten seines Vaters lässt mir noch heute das Blut in den Adern gefrieren.

Der Vater beschloss, seinem Sohn nicht zu Hause eine Abreibung zu verpassen (das war damals in den 1960ern noch erlaubt,) sondern schnappte sich seinen Sohn, ging mit ihm zum Schuldirektor. Vor dem Schuldirektor musste der Sohn seine übliche Lederhose herunterlassen. Der Vater zog seinen Gürtel genussvoll langsam aus der Hose und verprügelte den Sohn mit der Gürtelschnalle vor den Augen des Schulrektors.
(So, nun bitte wieder ein-und ausatmen.)

Ich hatte schon beim Zuhören den Verdacht, dass irgendetwas in ihm während dieser Demütigung, (Bestrafung wäre es zu Hause gewesen,) zerbrochen war, was ihn sein ganzes weiteres Leben beeinträchtigt hat. Er hatte kein Vertrauen in andere Menschen mehr, fühlte sich immer ungeliebt, obwohl er immer nach Liebe suchte. Schließlich und endlich fiel er in tiefe Depression, hatte Verfolgungswahn und landete zweimal in der Psychiatrie.

Woher kommt dieses Bedürfnis, andere oder die eigenen Kinder vorzuführen und öffentlich bloßzustellen? Was sollen solche Demütigungen bezwecken, aber auch welche Wirkungen entfalten sie? Warum sind sie selbst in Gesellschaften verbreitet, die Würde und Respekt in ihrer Verfassung verankert haben? Lebt hier das „finstere Mittelalter“ wieder auf, das Schlechte im Menschen, die tiefen, teuflischen Abgründe?

In öffentlichen Demütigungen wird stets Macht demonstriert. Indem andere Menschen vor Augenzeugen in die Knie gezwungen und bestraft werden, bekräftigen die Täter ihren Anspruch auf eine herausgehobene, machtvolle Position. Sie versuchen sich auf Kosten des vermeintlich Schwächeren groß zu machen.

Scham ist ein Gefühl von ungeheurer Wucht und mächtiger Wirkung. Sie kann tödlich sein und prägt sich unauslöschlich ein. Dabei ist die Anwesenheit und Zeugenschaft Dritter von größter Bedeutung.

Was macht die Demütigung zu einem so abscheulichen Instrument?

Es ist die Macht und Gewalt des öffentlichen Blicks. Werden andere Menschen Zeugen individueller Fehlleistungen oder Normverstöße, wird das Schamgefühl immer brennender. Je mehr Wert der Betroffene auf Wertschätzung und Anerkennung legt, desto größer werden die Scham und der emotionale Schaden.

Tatsache ist, dass täglich gezielte, absichtsvolle Demütigungen stattfinden. Nicht nur in Familie, Schule, Beruf oder beim Militär, wo sie meist von oben nach unten erfolgen. Sondern auch unter Gleichen, unter Schülern oder Arbeitskollegen, finden sie statt, nur dort heißen sie nicht Demütigung sondern Mobbing. Selbst in der nationalen und internationalen Politik kommen sie immer häufiger vor.

Wer sich falsch verhalten oder die Normen der Gruppe verletzt hat, kann darüber Scham und Reue empfinden und mit oder ohne Unterstützung versuchen es zu ändern.

Wer jedoch gedemütigt wird, weil er oder sie anders ist, weil er oder sie eine andere soziale oder ethnische Herkunft oder Hautfarbe haben, einer anderen Religion angehören, eine andere sexuellen Orientierung oder eine andere körperlichen Gestalt oder Behinderung haben und deshalb Ausgrenzung erfährt, kann keine Reue oder Scham darüber empfinden. Denn all diese Merkmale sind ohne sein Zutun entstanden und können nicht geändert werden.

Menschen reagieren auf unterschiedliche Weisen auf Demütigung. Der eine reagiert mit Depressionen, andere entwickeln offene Aggressionen, wieder andere verbergen ihren Zorn und planen langfristige Rache.

Die stärksten Gefühle der Demütigung in Opfern entstehen, wenn die Opfer ihre Demütiger bewundern, wie es z.B. beim Vater sein kann. In Fällen, in denen solche Opfer Zugang zu Mitteln bekommen, die ihnen Rache für die erlittene Demütigung ermöglicht, kann es passieren, dass diese Rache mit besonderer Brutalität ausgeführt wird und sogar Völkermord einschließt.

Da möchte ich noch einmal daran erinnern, dass in Kapitel 1 unseres Grundgesetzes festgehalten wird:
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Und darauf sollten wir alle achten.

Demütigung macht (dauerhaft) krank und verursacht dadurch hohe gesellschaftliche Kosten.

In einigen Fällen kann Demütigung sogar tödlich enden.

Demütigung ist gewalttätig und kann Gegengewalt erzeugen.

Demütigung kann zu Hass, Kriegen, Unterdrückung und Unversöhnlichkeit führen.

Und das Selbstwertgefühl des Peinigers/Aggressors wird nicht um ein Jota stärker.

Wenn Sie gedemütigt wurden, wenn Sie es nicht schaffen die Gefühle der Demütigung selbst zu bewältigen oder an sich selbst erkennen, dass Ihre Gewaltbereitschaft gegen andere aber auch gegen sich selbst zunimmt, dann wenden Sie sich an einen psychologischen Berater Ihres Vertrauens!

Das Leid einer Demütigung zu kurieren bedarf besonnener therapeutischer Hilfe von geeigneten Helfern.

Ich möchte ein kleines Beispiel bringen, um klarzustellen, dass der Umgang mit Demütigungen auch in der Politik weitreichende Folgen haben kann.

Nelson Mandela war erfolgreich in seinem Bemühen, sich von dem Drang nach Rache zu distanzieren, er hätte auch ein Hitler werden können. Stattdessen verwandelte er die tiefe Demütigung, die er erlebt hatte, in eine Kampagne zur Veränderung demütigender sozialer Strukturen.

Aber auch den Tätern kann geholfen werden. Meist werden sie nicht die notwendige Erkenntnis haben, dass sie etwas ändern müssen. Doch wenn ein Täter zu dieser Erkenntnis kommt, dann kann er lernen die Perspektive des Opfers einzunehmen und versuchen, Gefühle der Demütigung im Anderen zu verstehen, sie im Anderen anerkennen, und sich dafür zu entschuldigen.

Wir sollten in Kindergärten und Schulen damit beginnen, die Selbstwahrnehmung und die Empathie mit Anderen zu erwecken. Dann kann der Kreislauf der Demütigung und der daraus resultierenden Gewalt in Familien und Gesellschaft unterbrochen werden. Dann können selbstbewusste, offene Bürger ohne Gewalt und Hass miteinander leben.

!!! Könnte eine Osterbotschaft sein !!!

Emotionale Wüste

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Wenn ich den Medien Glauben schenken kann, wird mir manchmal ganz schwindelig darüber,  in welcher emotionalen Wüste wir und unsere Kinder heute leben. Verzeihen Sie mir, wenn ich so pauschal schreibe. Ich meine natürlich immer nur eine relative Ausprägung. Wenn Sie das auch empfinden oder Ihnen der Stiefel passt, dann ziehen Sie sich ihn bitte an und lesen bis zum Ende weiter.

Cocooning, ein Trend, der in den 80er des letzten Jahrhunderts beginnt.
Wenn die Welt zu stressig, kompliziert und bedrohlich wird, zieht man sich zurück in die eigenen vier Wände.
Cocooning steht auch für die schwindende Lust der Menschen hinauszugehen und Neues zu entdecken, Andersartiges und Fremdes kennen zu lernen. Täglich können wir sehen, dass die Eigenverantwortung abgegeben wird an höhere Instanzen, die Politik, das Arbeitsamt, die Gewerkschaften etc.
Cocooning steht aber auch für eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber unseren Mitmenschen in unserer Gesellschaft, die die Rechte des Individuums so betont. „Hauptsache mir geht es gut.“ Was kümmert mich mein Nachbar, meine Mitmenschen, andere Länder, die Umwelt, die Natur usw.

Die Menschen fühlen sich ungerecht behandelt. Bekommt ein Anderer einen Pfennig mehr, argwöhnen sie, dass Ihnen dieser fehlen wird. Die Grundstimmung ist niedergeschlagen und Endzeit mäßig. Gleichzeitig sind die Menschen abhängig von Führern, weil sie keine Eigenverantwortung übernehmen wollen. An Miseren sind immer die Anderen schuld.

Depressionen nehmen erschreckend zu.
Wer einsam ist, keinen anderen Menschen zum Sprechen und Austauschen hat, ist seinen Befürchtungen und Sorgen allein ausgeliefert. Das vermittelt die Angst, ungeliebt zu sein. Die Gesellschaft fordert von uns aber, dass wir immer perfekt funktionieren. Die so suggerierte Unzulänglichkeit gepaart mit mangelnder Anerkennung und Liebe kann zu ernsthaften Depressionen führen.

Aufmerksamkeits- und Denkprobleme sind nicht allein ein Problem unserer ADHS-Kinder.
Viele Erwachsene können nicht still sitzen, sich nicht konzentrieren, sind nervös, erledigen ihre Aufgaben schlampig. Gleichzeitig dreht sich ihr Gedankenkarussell ohne Unterlass um unrealistische, unerfüllbare Träume, impulsives Handeln eingeschlossen. Da wird gekauft ohne zu bedenken, wie das bezahlt werden kann.

Aggressivität und Straffälligkeit nehmen eklatant zu.
Polizisten werden verprügelt, weil sie Falschparker erwischen. Feuerwehrmänner und Rettungssanitäter werden nicht nur bei ihrer Arbeit behindert, sondern sogar massiv körperlich angegriffen oder bedroht. Jugendliche treiben sich in Gangs herum, die sie unter Druck setzen, zu klauen, Drogen zu nehmen, zu pöbeln, zu randalieren uvm. Kinder wollen in der Schule dem Lehrer nicht gehorchen, stören den Unterricht durch schwatzen, spielen mit dem Smartphone usw. Eltern bedrohen, erpressen und schlagen die Lehrer.

Wow, was ist da passiert? Vor noch nicht allzu langer Zeit waren Lehrer und Amtspersonen noch Respektspersonen.

Und bitte, das alles ist kein Problem von ethnischen, religiösen, rassischen oder Einkommens-Gruppen. Dieses Problem ist ein weltweites unabhängig von der gesellschaftlichen Klasse. Wenn Familien, gesellschaftliche Strukturen es nicht mehr schaffen unseren Kindern und somit auch uns ein stabiles Fundament für das Leben zu geben, was können wir dann überhaupt noch ausrichten?

Da wo aus finanziellem oder gesellschaftlichem Druck beide Elternteile gezwungen werden arbeiten zu gehen, immer mehr Kinder in Ein-Eltern-Familien aufwachsen, sind diese Kinder sich selbst, dem Fernseher, Krippen und Kindertagesstätten überlassen. Die unzähligen kleinen Gesten zwischen Eltern und Kind, die dafür sorgen, dass ein Kind sich verstanden und geliebt fühlt, mit denen es Mitgefühl für andere erlernt, bleiben da auf der Strecke. Und damit die emotionale Kompetenz, die das Gefühlsleben bildet, Sicherheit vermittelt und Voraussetzung für Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegen Unbilden des Lebens, ist.

Deswegen brauchen wir vorbeugende Maßnahmen schon im Kindesalter, um emotionale und soziale Defizite aufzufangen und bestmöglich zu verhindern.

Im nächsten Blog-Eintrag werde ich Ihnen ein Programm vorstellen, dass sich bereits in der Praxis bewährt hat.

Übrigens:
Ja, ich habe keine Kinder. Ich kann mich aber noch richtig gut an meine Kindheit erinnern und an meine Erfahrungen, meine Bedürfnisse und meine Ängste. Ich erlebe täglich, was eine belastende Kindheit für Auswirkungen im Erwachsenenleben hat. Und deswegen wage ich oder besser muss ich wagen, aufzurütteln und vorbeugende Maßnahmen anzubieten. Auch wenn einige dieser Maßnahmen gegen unsere landläufigen gesellschaftlichen Meinungen/Einstellungen und die zurzeit vorherrschende politische Stimmung verstoßen.

Trauer, Melancholie, Depression

dark clouds

Manchmal ist man für düstere Stimmungen empfänglicher, gerade wenn die Nachrichten viele Schreckensmeldungen für uns bereit haben oder das Wetter grau in grau ist. Trauer und Melancholie gehören zum Leben wie Freude und gute Laune. Wenn man aber nicht mehr aus solch einem Stimmungstief herauskommt, wenn sich eine Depression entwickelt, dann braucht man Hilfe.

Selbst aus Trauer und melancholischer Gemütslage kann sich nicht jeder selbst befreien, weil die Gefühle keine adäquate Reaktion zulassen oder man schlicht keine Strategie dafür hat.

Aus eigener Erfahrung möchte ich über Traurigkeit und Melancholie, die wir aus eigener Kraft besiegen können, berichten.

Am 1. Juni jährte sich der Tag, dass ich meiner Mutti das letzte Mal die Schuhe angezogen, mit ihr gemeinsam auf den Bus zu ihrer Tagespflege gewartet und ihr nachgeschaut habe, wie sie zum Bus ging. Vor einem Jahr ist sie gestürzt, hat sich einen Oberschenkelhals gebrochen und kam nicht mehr nach Hause. Auch wenn nun schon fünf Monate vergangen sind, dass sie nicht mehr auf dieser Welt ist, so fühle ich bei solchen Anlässen Traurigkeit aufsteigen.

Was ist Trauer eigentlich?

Erleiden wir einen Verlust hat das auf unsere Gemütsverfassung fast immer gleiche oder ähnliche Auswirkungen: Das Interesse an Vergnügungen schwindet, unsere Aufmerksamkeit beschäftigt sich mit dem Verlust und schwächt unsere Energie für das tägliche Leben. Trauer zwingt uns zu einer besinnlichen Abkehr vom Alltag und versetzt uns in einen außergewöhnlichen psychischen Zustand, in dem wir darüber grübeln, was dieser Verlust für uns bedeutet.

Nach einer angemessenen Zeit, die für jeden individuell zu bemessen ist, sollte die Abkehr vom Alltag und der psychische Sonderzustand umschlagen in Aktivität mit neuen Plänen, in wieder Zuwendung zu Geselligkeit und Freude.

Trauer ist sinnvoll, um Abschied zu nehmen, die neue Situation zu überdenken.

Melancholische Stimmungen zu einem Verlust dürfen meines Erachtens auch zu bestimmten Anlässen wieder auftauchen. Erinnerungen werden sich mit der Zeit aber wandeln, von Traurigkeit in positive Erinnerungen. Wenn ich heute an meine Mutter zurückdenke, dann sind es Anlässe, die Erinnerungen an sie wecken: schöne, lustige und manchmal auch die, die ich „Ach-Mutti“ nenne. Ich denke an sie, wenn ich ihre Lieblingsspeise zubereite, wenn ich eine von ihr besonders geliebte Blume sehe oder erinnere mich, wie sie mit ihrem Gehstock in ein Blumenbeet pikste und dazu sagte, „da musst du aber mal das Unkraut zupfen“. Ich erinnere mich mit einem inneren Lächeln.

Wenn die Phase der Traurigkeit, der Zurückgezogenheit aber nicht enden will, sondern sich in allgemeine Freudlosigkeit, Entsetzen, Angst, Konzentrationsmangel, Schlafstörung oder gar Verwirrtheit äußert, dann ist die Grenze zur Krankheit überschritten.

Wer keinen Neuanfang sieht oder für möglich hält, wer seine Verzweiflung, seinen Schmerz mit nichts mindern kann sondern ins Unerträgliche steigen sieht, wer glaubt Ausscheiden aus dem Leben sei der einzige Ausweg, der leidet an einer tiefen Depression. Da können nur erfahrene Therapeuten, Medikamente und vielleicht ein Krankenhausaufenthalt helfen.

Ich bin ein Mensch, der sich lieber zurückzieht, für  sich bleibt und wie ein waidwundes Tier seine Wunden im Verborgenen leckt. Diese Zeit des Rückzug brauche ich, um mir den Verlust klar zu machen und über Strategien nachzudenken, wie ich ohne ihn klarkommen werde. Erst dann verspüre ich wieder den Drang mich unter andere Menschen zu mischen. Wenn es allerdings jemand wagt, in meinen Rückzugsort einzudringen, reagiere ich eher erleichtert darüber und teile mich auch gern mit, nehme ich Anteilsbekundungen gern entgegen.

Den meisten Menschen hilft es aber, sich unter Leute zu begeben. Geht mit Freunden essen, besucht Sport- oder Musikveranstaltungen, geht ins Kino. Macht alles, was euch ablenkt, zusammen mit Freunden oder der Familie. Das hilft gut, wenn die Aktivitäten tatsächlich von der Trauer ablenken, man die gedrückte Stimmung eine Zeit lang vergessen kann. Wenn man die Anlässe allerdings nur dazu nutzt, über die Trauer zu reden, immer wieder durchzukauen, dann kann es leider auch die trübe Phase verlängern.

Sport oder jegliche andere körperliche Betätigung kann auch helfen. Wenn mein Herz mal wieder „aus dem Takt“ zu kommen droht, gehe ich in den Garten oder putze mein Zuhause. Danach geht es mir immer besser.

Und vor allen Dingen schaut nach vorn. Der Blick zurück ist nicht verboten, aber hütet euch, immer wieder über neue Aspekte und Sorgen nachzugrübeln. Glaubt mir, die Vergangenheit lässt sich nicht ändern. Es ist besser sie anzunehmen und die Zukunft neu zu gestalten.

Vor allen Dingen, holt euch Hilfe, wenn das schwarze Loch nicht kleiner wird.

Der Tag hat 24 Stunden … die Nacht … und die Pausen

schlafender HundFür jeden Mensch hat der Tag 24 Stunden oder wie es manchmal scherzhaft heißt: 24 Stunden, die Nacht und die Pausen.

In unserer jetzigen Welt trifft eher das zweitere zu. Da wird der Tag zur Nacht gemacht und die Nacht zum Tag. Das elektrische Licht macht es möglich. Wir reden bewundernd über die Stadt, die niemals schläft. Wir versuchen rund um die Uhr für unsere Arbeit verfügbar zu sein. Wir lassen unsere Kinder bis um 11 Uhr am Abend auf, weil sie dann auch morgens länger schlafen und die müden Eltern sich dann ausruhen können.

Pausen nach unserem arbeitsreichen Tag füllen wir möglichst mit Freizeit-Aktivitäten. Wir gehen zum Sport, wir treffen uns mit Freunden, wir besuchen Veranstaltungen und vieles mehr.

Damit die Umstellung von den Tagesaktivitäten auf Schlafen reibungslos und schnell vollzogen wird, geben wir unserem Körper etwas zur Beruhigung: Alkohol, Schlaftabletten, Fernsehen etc.

So haben wir den Tag mit Arbeit und Hektik, die Pausen mit Freizeit-Aktivität und weiterer Hektik und die Nacht mit ohnmächtigem Rausch gefüllt.

Wie kommt es da nur, dass immer mehr Menschen mit ihrem Leben unzufrieden sind, dass die Kinder in den Schulen nicht folgen können, dass immer mehr depressiv und mit einem Burnout-Syndrom reagieren?

Sind wir aus der Balance geraten? Wissen wir nicht mehr, dass es nach einer Anspannung auch wieder eine Entspannung geben muss, damit unser Energiesystem nach dem Entladen auch wieder aufgeladen werden kann?

Was ich als besonders schlimm empfinde, ist, dass wir bewusst oder unbewusst alles auch so an unsere Kinder weitergeben.

Immer wenn ich sehe, dass Kinder künstlich wach gehalten werden, dass die Eltern sie mit körperlicher Aktivität am Abend noch einmal aufputschen und sie nicht zur Ruhe kommen lassen, dann baut sich in mir Unverständnis und Wut auf.

Jedes Lebewesen braucht Ruhepausen und die Nacht zur Regeneration. Wenn ich diese Anforderungen, die Körper und Geist brauchen, vernachlässige, kann ich keine Spitzenleistung mehr von mir fordern ohne, dass das System Lebewesen, einmal früher, einmal später, kollabiert.

Ein Tages-/Nachtzyklus ist ein Auf und Nieder. Am Morgen sollten wir hellwach und ausgeschlafen sein, gut regeneriert vom nächtlichen Schlaf.

Mittags können wir uns schon eine kleine Verschnaufpause gönnen. Vielleicht ein kleines Nickerchen, einen Spaziergang an der frischen Luft oder eine Entspannung anderer Art.

Nachtmittags oder am frühen Abend gönnen wir uns am besten eine zweite Erholungszeit. Einfach mal dösen, die Gedanken treiben lassen oder mit Sport die Stresshormone reduzieren.

Die Zeit nach dem Abendbrot ist ideal für eine Beziehungspflege: Treffen mit Gleichgesinnten, Freunden oder den Besuch von Veranstaltungen wie Theater, Konzert, Kino, etc.

Danach den Tag vielleicht Revue passieren lassen: was war besonders gut an diesem Tag. Mit diesen beruhigenden Gedanken wird der Schlaf machtvoll an die Schlafzimmertür klopfen.

Beobachten Sie doch mal Tiere oder kleine Kinder. Die beherrschen die Abwechslung von Anregung und Entspannung noch intuitiv (wenn man sie lässt).schlafendes Kind

Für einen gesunden Körper und einen gesunden Geist möchte ich Sie gern animieren, lernen Sie wieder nach jeder Anspannung auch eine entsprechende Entspannung einzulegen.

Nehmen Sie sich Zeit für

  • konzentrierte Arbeit
  • körperliche Bewegung
  • Kreativität und Spiel
  • Beziehungen

Aber vernachlässigen Sie nicht die wichtige innere Einkehr mit

  • Entspannung
  • Meditation und Kontemplation
  • und vor allen Dingen ausreichendem Schlaf.

 

Alleinsein und Einsamkeit

Alleinsein und Einsamkeit, zwei Situationen, die bei den meisten Menschen negative Gefühle auslösen.

Einsamkeit wird von einigen Psychologen als Vorstufe der Depression gesehen. Gleich wird ein Bibeltext erinnert: 1.Mose 2 Vers 18 „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“

In der Resilienzforschung (Resilienz = die Fähigkeit von Menschen, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen) werden u.a. tragende Partnerschaft, Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis als wichtige Grundlagen gesehen.

Alleinsein und Einsamkeit birgt aber nicht für jeden ein verzweifeltes Gefühl in sich. Vielmehr wird Alleinsein und Einsamkeit als Rückzug des Menschen aus dem hektischen Alltag zum Zwecke geistiger Aktivität und Selbstbesinnung positiv gewertet.

Das eine schließt meines Erachtens nicht das andere aus. Ich bin auch gern in Gesellschaft anderer Menschen und tausche mich mit ihnen aus. Genauso genieße ich den Rückzug zu mir selbst.

Meditation ist Bestandteil meines täglichen Lebens und ohne diese Besinnung auf mich selbst, käme ich mir fremdbestimmt und ferngesteuert vor.

Alleinsein und Einsamkeit wird in unserer heutigen Gesellschaftsstruktur nicht gern gesehen. Betrachten Sie nur wie Kinder vom ersten Tage ihres Erdendaseins „bespaßt“ werden. Ohne Babyturnen und Krabbelgruppe kommt heute kein Kleinkind mehr aus. Im Kindergartenalter kommt dann das befohlene, oder netter gesagt, das angeleitete Spielen, das Lernen von Fremdsprachen etc. dazu. Weiter geht es  mit Kindersendungen im TV. Für die Erwachsenen muss der Sport in allen Variationen herhalten. Oder der Hund, der gemeinsam mit vielen anderen in der Hundeschule erzogen wird. Da ist das Nachmittagsprogramm auf die Hausfrauen ausgerichtet, der Abend auf die Männer mit Sport, Politik und Ratgeber-sendungen. Die gesamte Unterhaltungsindustrie  mit Touristik und Sport hat nur ein Ziel… uns vom Denken abzuhalten.
Halt wie im alten Rom: Brot und Spiele.

Bitte nicht falsch verstehen, Ablenkung und Entspannung muss von Zeit zu Zeit sein, wenn man auch Freiräume für sich selbst schaffen kann. Wenn das Kind von Anfang an lernt mit sich allein auszukommen, sich selbst zu beschäftigen, hat es schon eine gute Basis für das Erwachsen-werden, kann Alleinsein gut aushalten und braucht nicht die Bestätigung und Anerkennung von jedem (auch denen, die ihm nicht gut tun), weil es bis hierhin schon ein eigenes Selbstbewusstsein erworben hat.

Alleinsein und der Rückzug in die Einsamkeit haben sehr viel mit der Suche nach dem Sinn des Lebens zu tun. So möchte ich mit einem Gedanken von Leo Tolstoi schließen:

„Auf der höchsten Bewusstseinsstufe ist der Mensch allein. Eine solche Einsamkeit kann sonderbar, ungewöhnlich, ja auch schwierig erscheinen. Törichte Menschen versuchen, sie durch die verschiedensten Ablenkungen zu vermeiden, um von diesem erhabenen zu einem niedriger gelegenen Ort zu entkommen. Weise dagegen verharren mit Hilfe des Gebetes auf diesem Gipfelpunkt.“