Das letzte Hemd hat keine Taschen

Entenpaar

„Du kommst nackig auf die Welt und verlässt sie wieder so. Das letzte Hemd hat keine Taschen.“

Das sagte meine Großmutter immer.

Gestern las ich im Internet einen weiteren treffenden Spruch (es war leider kein Autor angegeben):

„Du betrittst die Welt mit Nichts und du verlässt die Welt mit Nichts. Zwischen diesen beiden Nichts sammelst du deinen Besitz.“

In meinem letzten Blog-Eintrag habe ich über den Raum um den Besitz gesprochen und dass wir den freien Raum brauchen.

Eine Antwort einer Leserin darauf war:
… etwas zum Festhalten an Besitz: Was das auslöst, sehe ich jeden Tag bei alten, demenzkranken Menschen. Selbst wenn das Eigentum direkt vor der Nase steht, wird es nicht mehr erkannt. Warum soll ich dann in meinem Leben nur sammeln und den angehäuften Besitz pflegen und hegen? Erben will doch den alten Plunder sowieso keiner. Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, braucht man allerdings eine längere Lebenszeit. In der Blüte meiner Jugend habe ich auch ein wenig anders gedacht.“

Die chinesische Lehre Feng Shui hat einen Begriff dafür, Ssu Chi oder stagnierendes Chi, was bedeutet, hier läuft nichts mehr, alles stagniert und blockiert sich. Der Energiefluss verlangsamt sich und wir bleiben energielos und ausgelaugt zurück. Kommt der Energiefluss gar zum Erliegen, werden wir das Gefühl haben, dass unser Leben stillsteht.

Wer kennt das nicht?

Fließt jedoch die Energie in unseren Wohnräumen, dann können auch wir ein glückliches, frei fließendes Leben führen.

Nun werden Sie mit Berechtigung fragen, woran erkenne ich dieses „Ssu Chi“?

Da gibt es viele Möglichkeiten:
Die einfachsten Varianten sind zu viele Möbel oder unaufgeräumte Gegenstände in einem Raum. Aber auch Dinge, die man nicht findet, wenn man sie braucht, deuten darauf hin. Genauso unerledigte Projekte. Das können nicht fertig gestellte Handarbeiten, nicht fertig gelesenen Zeitschriften und Bücher sein. Dinge, die defekt, aber noch nicht repariert sind, unbeantwortete e-mails, unbezahlte Rechnungen, und vieles mehr.

Diese Dinge ziehen Ihnen ständig Energie ab und spiegeln Ihnen wider, wie schlecht Sie im Leben mit Dingen zurechtkommen.

Wer mag das schon täglich vor der Nase haben!

Dagegen habe ich eine kleine, unauffällige Achtsamkeitsübung für Sie:

Wählen Sie sich ein Zimmer Ihrer Wohnung aus und versuchen Sie darin eine Woche keine Spuren zu hinterlassen. Wenn Sie in dem Raum eine Tätigkeit ausgeführt haben, räumen Sie danach auf und putzen, so als wenn Sie diesen Raum nicht genutzt, ja, nicht betreten hätten.

Die Übung lenkt uns auf die kleinen Dinge im Leben, die wir so gern übersehen. Unser Leben wird augenblicklich unkomplizierter, wenn wir den Raum und die Dinge um uns herum aufgeräumt und gesäubert haben. Genießen Sie doch mal das Abwaschen und das Wegräumen des Geschirrs, das Zusammenfalten und Verstauen der Wäsche.

Sie werden bemerken, dass sich ein Gefühl der Zufriedenheit einstellt. Vielleicht spiegelt das einen tieferen Wunsch wider, die Welt zumindest nicht schlechter zurück zu lassen, als wir sie angetroffen haben.

In einem zweiten Schritt können Sie dann ja anfangen sie zu verbessern.

Die Spuren die wir dann hinterlassen sind Abdrücke unserer Liebe und Respekt für andere Lebewesen und unsere Erde.

Geben Sie sich Raum

Zen-GartenWenn Sie ein Zimmer betreten, nehmen Sie sofort auf, was sich in ihm befindet: Möbel, Bilder, Menschen.

Gehen Sie durch die Stadt, nehmen Sie um sich herum die Gebäude wahr, die Straße mit ihren Autos und die Menschen, die von einem Ort zum anderen eilen.

Betrachten Sie eine Landschaft, dann sehen Sie Hügel, Flüsschen, Seen, Bäume, Wiesen und vielleicht Tiere auf einer Weide. Sie sehen Ortschaften mit Häusern und Straßen.

Aber haben Sie auch schon einmal gesehen, dass um alles herum auch RAUM zu sehen ist? Zwischen all den Gegenständen und Objekten befindet sich etwas, das wir manchmal freien Raum oder Luft nennen.

Was wären die Gegenstände ohne diesen freien Raum?

Vielleicht kommen Ihnen da Bilder eines Messie-Haushaltes ins Gedächtnis, die Sie in einer Zeitung oder in den beliebten Einrichtungssendungen im TV gesehen haben. Da ist wirklich kaum Raum zwischen dem Angehäuften vorhanden.

Ich möchte Sie heute dazu ermutigen, Ihre Achtsamkeit genau auf diesen Raum zwischen Gegenständen zu richten. Also, wenn Sie sich im Zimmer umschauen, achten Sie bewusst auf den freien Raum zwischen den Möbelstücken.

Wenn Sie Ihren Geist auf diese Leere lenken, werden Sie bemerken wie beruhigend dies auf Sie wirken wird.

Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Gegenstände in einem Raum etwas mit besitzen zu tun haben. Und was wir besitzen, also unser Eigentum, wollen wir behalten und beschützen. Wir haben unterschwellig Angst es zu verlieren oder wie können Sie sich sonst die Hausrat-Versicherungen erklären? Diese unbewusste Angst erzeugt Unruhe.

Zur Ruhe können wir nur kommen, wenn wir unseren Blick weg vom Besitz wenden.

Freiraum brauchen wir auch in unseren Gedanken und Gefühlen. Wie Sie sich auf den freien Raum in einem Zimmer fokussieren können, so können Sie das auch mit Ihren Gedanken versuchen. Nehmen Sie wahr, dass sich nicht Gedanke an Gedanke reiht, sondern dass zwischen zwei Gedanken ein freier Raum liegt.

Versuchen Sie Ihre Achtsamkeit auf diesen Raum zwischen Ihren Gedanken zu lenken und Sie werden auch hier Ruhe und Zufriedenheit finden.

Für alle Feng-Shui-Begeisterten empfehle ich ebenfalls:
Lassen Sie einen Raum nicht ausschließlich über die Gegenstände darin auf sich wirken, sondern konzentrieren Sie sich bewusst auf den leeren Raum und hören Sie zu, was dieser Ihnen sagen will.

Laotse sagt (Tao te King, Nr.11):

Dreißig Speichen umgeben eine Nabe:
in ihrem Nichts besteht des Wagens Werk.
Man höhlet Ton und bildet ihn zu Töpfen:
in ihrem Nichts besteht der Töpfe Werk.
Man gräbt Türen und Fenster, damit die Kammer werde:
in ihrem Nichts besteht der Kammer Werk.

Darum: was ist, dient dem Besitzt.
Was nicht ist, dient dem Werk

Lassen Sie sich nicht von Inhalten ablenken und täuschen.
Lassen Sie Ihrem Geist Raum.