Angst ist, was unsere Gedanken daraus machen

Ghost

Angst hat eine nützliche Funktion in unserem Leben. Sie warnt uns vor Gefahren und ermöglicht unserem Körper die Flucht zu ergreifen.

Wir können die Flucht ergreifen oder alle unsere Kräfte mobilisieren, um das gefürchtete Problem zu lösen.

Wenn wir mit Flucht reagieren, hat das meist gute Gründe. So meinen wir zumindest. Gut, wenn wir einem Raubtier gegenüberstehen, einer giftigen Schlange begegnen oder wir uns gerade auf einen Skorpion setzen,… dann nichts wie weg.

Aber wie wahrscheinlich ist das in unserer Umgebung?

Hier sind es wohl eher Normen, die wir verletzen könnten. Wir sind aufgewachsen mit Sätzen unserer Eltern, unserer Lehrer oder anderer Autoritäten, die uns deutlich sagen, „DAS TUT MAN NICHT“.

Nun können wir überlegen, ob wir es trotzdem tun möchten, ob wir einen größeren Nutzen haben, wenn wir es tun und uns außerhalb der Norm stellen, oder ob wir die Konsequenzen daraus nicht übernehmen wollen.

Dann könnten uns die Leute vielleicht als ungebildet, herzlos, egoistisch, vielleicht sogar als abartig betrachten.

Wenn eine Gefahr für uns überschaubar ist und wir uns stark genug fühlen, hat die Angst keine Chance, uns zu entmutigen.

Es gibt aber auch Situationen, in denen wir unsere Fähigkeiten unterschätzen, aus Bequemlichkeit lieber nichts riskieren oder uns von anderen Leuten entmutigen lassen.

Da kommen unsere Gedanken ins Spiel. Wir malen uns aus, wie schlecht eine solche Entscheidung für uns ausgehen kann, wie die anderen nun schlecht über uns denken, wie sie uns als Versager oder als Außenseiter sehen. Das alles macht uns Angst. Wir nehmen vorweg, was noch gar nicht passiert ist.

Um einen Angstkreislauf zu durchbrechen gibt es zwei Situationen, die wir uns bewusst machen sollten:

Wir können beim ersten Gedanken an die bevorstehende Situation daran denken, dass wir schon beim letzten Mal ausgelacht und verhöhnt oder sogar bedroht wurden Unsere Fantasie kann sich daran festklammern. Wir durchlaufen im schlimmsten Fall wieder alle hilflosen und erniedrigenden Stationen.

Wir können aber auch beim ersten Gedanken „Stopp“ sagen und einen ganz anderen Film ablaufen lassen. Den Film wie wir die anstehende Situation meistern und Anerkennung dafür bekommen.

Verschwenden wir keinen weiteren Gedanken an Angst und Versagen, sondern freuen wir uns darüber, dass wir selbstbestimmt sind und uns nicht von unserem Panik-Modus vor uns her treiben lassen.

Ausgegebenen Anlass möchte ich ein Beispiel dazu bringen.

Früher hatten wir Kinder Angst vorm schwarzen Mann oder vor den Zigeunern, die angeblich kleine Kinder und die Wäsche von der Leine klauten. Etwas später als Jungendliche war es uns mulmig, durch eine dunkle, unbelebte Gasse zu gehen. Heute sind es die belebten Plätze mit Menschenansammlungen, die uns Furcht einflößen.

In München findet bekanntlich jedes Jahr das Oktoberfest statt (oder wie wir Münchner sagen: die Wiesn). Wie man sich auf einer solchen Massenveranstaltung mit vielen Alkoholisierten verhält, zeigt das Projekt „Sichere Wiesn“.

Auszug aus der Süddeutschen Zeitung vom 05.08.2015:

„Ihr könntet auch nackert über die Wiesn gehn“, sagte K. G., die Vertreterin von Imma e.V, zu jugendlichen Mädchen. „Dann würdet ihr zwar wegen Exhibitionismus angezeigt, aber anfassen dürfte euch trotzdem keiner.“ Mit diesem Satz macht die Aktion „Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen“, deutlich, um was es geht. Laut Polizeibericht 2014 grabschten Männer auf der Wiesn oftmals, sie fotografierten unter den Rock, verfolgten und bedrängten Frauen, im schlimmsten Fall gab es Anzeigen wegen Vergewaltigung – bei der Wiesn 2014 zweimal.

Das Projekt klärt Schülerinnen ab der achten Klasse über Gefahren des Wiesnbesuchs auf. Etwa mit Fragen wie: „Wisst ihr denn schon, wie ihr nach Hause kommt?“ Die Helfer raten auch: Macht einen Treffpunkt aus, falls ihr euch verliert. Merkt euch Telefonnummern, Handys gehen oft verloren oder das Netz bricht zusammen. Das zeigt die Erfahrung der Helferinnen.

Auszug aus der Süddeutschen Zeitung vom 29.09.2015 „Wenn Frauen Hilfe brauchen“:

Hinschauen und Einschreiten: Die Aktion „Wiesn-Gentleman“ soll helfen, sexuelle Übergriffe zu verhindern. Friedlich feiern und sich für andere einsetzen, die Hilfe brauchen, das ist die Botschaft vom „Wiesn-Gentleman“. Wenn die Leute hinschauen, könne die Zahl der sexuellen Übergriffe verhindert werden. Man hofft mit dieser Aktion, andere Männer zu motivieren genauer hinzuschauen und im Extremfall auch einzuschreiten.

Durch meinen Beruf war ich oft in Ländern, die als gefährlich eingestuft waren. Ich musste oft spät über irgendwelche Bahnhofsplätze gehen. Flucht-Angst hatte ich nicht, aber eine gehörige Portion Aufmerksamkeit und Respekt im Gepäck, also Angst, die mir geholfen hat, die bevorstehende Situation zu scannen und einzuschätzen. Oft sind mir Mädchen und Frauen aufgefallen, die selbst ich als „Opfer“ eingestuft hätte. Ihre Körperhaltung schrie schon von Weitem: Tut mir nichts, ich kann mich nicht wehren.

Natürlich kann ich auch nichts ausrichten, wenn jemand mir körperliche Gewalt antun will. Und ich will mich nicht als Besserwisser hervortun. Ich habe auch keine Lösung für Probleme wie sie jüngst zu Silvester aufgetreten sind.

Prinzipiell ist es aber so, dass wir Alternativen haben. Meiden von gefährlichen Situationen ist eine. Eine weitere ist, versuchen die Situation richtig einzuschätzen. Die nützliche Seite der Angst weckt in uns eine erhöhte Wahrnehmung. Wir sollten lernen auf sie zu hören.

Und ja, Solidarität und Zivilcourage können wir einfordern. Sprechen Sie gezielt einen Menschen an: Hey, du, im roten Pullover mit dem Vollbart, hilf mir. Hey, Bruder, mit den schwarzen Haaren, ruf´ die Polizei.

Es ist allemal besser eine Handlungsoption zu haben, als vollständig verängstigt Opfer zu sein.

Haben Sie immer in Ihrem Gedächtnis, in jedem Land, in jeder Religion, gibt es gute und schlechte Menschen und lassen Sie sich nicht durch Quoten-Nachrichten und Katastrophen-Politiker beeinflussen und dazu drängen, dass das anders ist.