Adventstürchen Nr. 23

Selbstgenügsamkeit – sich selbst genügend sein, und das zu Weihnachten?

Als Kind dachte ich wie schrecklich es sein muss, gerade zu dieser Zeit allein zu sein. Eine Freundin meiner Oma, die nach dem Tod ihrer Schwester ganz allein dastand, kam zu Weihnachten zu uns. Es wurde gemeinsam gekocht, gegessen, gesungen und zusammengesessen. Das fand ich richtig.

Ab und zu denke ich darüber nach, wie ich es heute halten würde. Würde ich an den Traditionen festhalten, etwas Anderes machen oder todtraurig in der Ecke sitzen und weinen?

Ich komme zu dem Ergebnis, dass ich einen wichtigen Teil der Traditionen weiterführen würde. Was bedeutet, am Heiligen Abend gäbe es zu Mittag Kartoffelsalat und Würstchen, am Abend eingelegten Hering nach dem Rezept meines Großvaters. Ich würde mir zum ersten Weihnachtstag einen Braten mit Knödeln und dem traditionellen russischen Salat zubereiten.

Einen Weihnachtsbaum würde ich mir nicht schmücken, aber einen Adventskranz und einigen besonderen Schmuck aufhängen. Und ich würde Weihnachtsgeschichten lesen, mich an früher erinnern und mir einen guten Schluck Rotwein genehmigen.

Ich glaube, da wäre ich mir selbst genug und es ist ein gutes Gefühl daran zu denken.

Der heutige Adventskalenderspruch:

Glück ist Selbstgenügsamkeit.
Aristoteles

Eure Birgitt

Die Freiheit des Alleinseins

Alleinsein

Wo wir auch sind, wohin wir auch gehen, was wir auch fühlen, was wir auch denken, wir sind immer allein.

Eine Erkenntnis, die den meisten von uns Angst macht. Alleinsein, dass scheint etwas Widernatürliches zu sein. Steht nicht schon in der Bibel „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“?

Ich glaube, dass unsere Angst vorm Alleinsein schon sehr alt und vielleicht sogar von einer Art Ur-Schuld gesteuert wird. Wie Tiere, die besser im Rudel jagen, hat der Mensch im Laufe seines Erdendaseins gelernt, dass es manchmal besser und einfacher ist, sich zusammen zu schließen.

Dennoch komme ich immer wieder zu der Erkenntnis, dass jeder am „Ende des Tages allein schlafen muss“. Verstehen Sie das bitte auch als Metapher.

Wir müssen unseren ersten Atemzug auf Erden allein ausführen. Jede Prüfung in unserem Leben müssen wir allein durchstehen. Jede Krankheit trifft nur uns allein, nur wir können sie auch besiegen. Und am Ende des (Lebens-)Tages gehen wir ganz allein von dieser Welt und treten ganz allein vor unseren Schöpfer.

Ich gehöre zu den Menschen, die sehr gern allein mit sich sind. Ich genieße die Freiheit, meinen Rhythmus zu leben, meine Gedanken zu verfolgen, meine Erkenntnisse zu machen, mich selbst besser kennen zu lernen, über Gott und die Welt nachzudenken ohne Beeinflussung von außen.

Tatsächlich sind die meisten Mitglieder unserer Gesellschaft auf der Flucht vorm Alleinsein. Die einen flüchten sich in die Arbeit, füllen ihren Kalender mit fragwürdigen Alltagsverpflichtungen, die anderen suchen sich andere, in Freundschaft, Ehe, Familie, religiösen Gemeinschaften, in Sportvereinen, vergnügen sich in Filmen, Theater, Konzerten, machen abenteuerliche Urlaube.

Bloß keine Ruhe, bloß keine Stille.

Wir sehnen uns nach Ruhe, Entspannung und finden doch nur Krach und Hektik.

Wir sind Meister in der Ablenkung von unserem wirklichen Leben geworden. Wir brauchen die anderen um uns nicht mit uns selbst auseinander setzen zu müssen. Wir schieben lieber Verantwortung auf andere ab. Sie sagen uns, was wir denken sollen, was wir glauben sollen. Dann sind wir auch nie schuld, sondern haben immer einen Schuldigen zur Hand. Wenn wir nicht glücklich werden, dann sind es immer die Umstände, die anderen, nie wir selbst.

Warum?

Ist uns noch nie die Erkenntnis gekommen, dass egal wohin und wie weit wir laufen, das Ziel immer wir selbst sind. Wir kommen immer wieder bei uns selbst an.
Ist es da nicht sinnvoll, uns selbst besser kennen zu lernen, zu erforschen, wer wir sind, was wir glauben, was wir wollen?

Fragen Sie sich doch am besten heute noch:

  • Warum erwarten Sie Verständnis und Liebe von anderen und nicht von sich selbst?
  • Warum vertrauen Sie der Meinung und Aussagen anderer mehr als ihren eigenen?
  • Warum glauben Sie, dass Sie Ihr Leben nur mit Hilfe anderer meistern und bewältigen können?
  • Warum suchen Sie die Antworten auf wichtige Fragen Ihres Lebens lieber anderswo und nicht in sich selbst?
  • Wie viel Zeit nehmen Sie sich täglich um das glückliche Alleinsein zu üben?

Überlegen Sie sich:

  • Wie oft sind Sie aufgrund wohlgemeinter Ratschläge von anderen in einer Sackgasse gelandet?
  • Wie oft sind Sie in eine ungewollte Abhängigkeit gestolpert, weil Ihnen jemand geholfen hat?

Sagen Sie sich:

  • Ich warte nicht darauf, dass andere mich lieben und anerkennen, sondern fange an mich selber zu mögen.
  • Je besser ich mich mag, desto weniger bin ich auf das Wohlwollen anderer angewiesen.

Die Angst vorm Alleinsein weicht dann einer großen inneren und in Folge davon einer äußeren Freiheit. Diese Freiheit resultiert daraus, dass wir anfangen das Leben zu betrachten, wie es ist, und nicht, wie es andere möchten, dass wir es sehen.

Alleinsein und Einsamkeit

Alleinsein und Einsamkeit, zwei Situationen, die bei den meisten Menschen negative Gefühle auslösen.

Einsamkeit wird von einigen Psychologen als Vorstufe der Depression gesehen. Gleich wird ein Bibeltext erinnert: 1.Mose 2 Vers 18 „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“

In der Resilienzforschung (Resilienz = die Fähigkeit von Menschen, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen) werden u.a. tragende Partnerschaft, Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis als wichtige Grundlagen gesehen.

Alleinsein und Einsamkeit birgt aber nicht für jeden ein verzweifeltes Gefühl in sich. Vielmehr wird Alleinsein und Einsamkeit als Rückzug des Menschen aus dem hektischen Alltag zum Zwecke geistiger Aktivität und Selbstbesinnung positiv gewertet.

Das eine schließt meines Erachtens nicht das andere aus. Ich bin auch gern in Gesellschaft anderer Menschen und tausche mich mit ihnen aus. Genauso genieße ich den Rückzug zu mir selbst.

Meditation ist Bestandteil meines täglichen Lebens und ohne diese Besinnung auf mich selbst, käme ich mir fremdbestimmt und ferngesteuert vor.

Alleinsein und Einsamkeit wird in unserer heutigen Gesellschaftsstruktur nicht gern gesehen. Betrachten Sie nur wie Kinder vom ersten Tage ihres Erdendaseins „bespaßt“ werden. Ohne Babyturnen und Krabbelgruppe kommt heute kein Kleinkind mehr aus. Im Kindergartenalter kommt dann das befohlene, oder netter gesagt, das angeleitete Spielen, das Lernen von Fremdsprachen etc. dazu. Weiter geht es  mit Kindersendungen im TV. Für die Erwachsenen muss der Sport in allen Variationen herhalten. Oder der Hund, der gemeinsam mit vielen anderen in der Hundeschule erzogen wird. Da ist das Nachmittagsprogramm auf die Hausfrauen ausgerichtet, der Abend auf die Männer mit Sport, Politik und Ratgeber-sendungen. Die gesamte Unterhaltungsindustrie  mit Touristik und Sport hat nur ein Ziel… uns vom Denken abzuhalten.
Halt wie im alten Rom: Brot und Spiele.

Bitte nicht falsch verstehen, Ablenkung und Entspannung muss von Zeit zu Zeit sein, wenn man auch Freiräume für sich selbst schaffen kann. Wenn das Kind von Anfang an lernt mit sich allein auszukommen, sich selbst zu beschäftigen, hat es schon eine gute Basis für das Erwachsen-werden, kann Alleinsein gut aushalten und braucht nicht die Bestätigung und Anerkennung von jedem (auch denen, die ihm nicht gut tun), weil es bis hierhin schon ein eigenes Selbstbewusstsein erworben hat.

Alleinsein und der Rückzug in die Einsamkeit haben sehr viel mit der Suche nach dem Sinn des Lebens zu tun. So möchte ich mit einem Gedanken von Leo Tolstoi schließen:

„Auf der höchsten Bewusstseinsstufe ist der Mensch allein. Eine solche Einsamkeit kann sonderbar, ungewöhnlich, ja auch schwierig erscheinen. Törichte Menschen versuchen, sie durch die verschiedensten Ablenkungen zu vermeiden, um von diesem erhabenen zu einem niedriger gelegenen Ort zu entkommen. Weise dagegen verharren mit Hilfe des Gebetes auf diesem Gipfelpunkt.“