Alleinsein und Einsamkeit, zwei Situationen, die bei den meisten Menschen negative Gefühle auslösen.
Einsamkeit wird von einigen Psychologen als Vorstufe der Depression gesehen. Gleich wird ein Bibeltext erinnert: 1.Mose 2 Vers 18 „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“
In der Resilienzforschung (Resilienz = die Fähigkeit von Menschen, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen) werden u.a. tragende Partnerschaft, Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis als wichtige Grundlagen gesehen.
Alleinsein und Einsamkeit birgt aber nicht für jeden ein verzweifeltes Gefühl in sich. Vielmehr wird Alleinsein und Einsamkeit als Rückzug des Menschen aus dem hektischen Alltag zum Zwecke geistiger Aktivität und Selbstbesinnung positiv gewertet.
Das eine schließt meines Erachtens nicht das andere aus. Ich bin auch gern in Gesellschaft anderer Menschen und tausche mich mit ihnen aus. Genauso genieße ich den Rückzug zu mir selbst.
Meditation ist Bestandteil meines täglichen Lebens und ohne diese Besinnung auf mich selbst, käme ich mir fremdbestimmt und ferngesteuert vor.
Alleinsein und Einsamkeit wird in unserer heutigen Gesellschaftsstruktur nicht gern gesehen. Betrachten Sie nur wie Kinder vom ersten Tage ihres Erdendaseins „bespaßt“ werden. Ohne Babyturnen und Krabbelgruppe kommt heute kein Kleinkind mehr aus. Im Kindergartenalter kommt dann das befohlene, oder netter gesagt, das angeleitete Spielen, das Lernen von Fremdsprachen etc. dazu. Weiter geht es mit Kindersendungen im TV. Für die Erwachsenen muss der Sport in allen Variationen herhalten. Oder der Hund, der gemeinsam mit vielen anderen in der Hundeschule erzogen wird. Da ist das Nachmittagsprogramm auf die Hausfrauen ausgerichtet, der Abend auf die Männer mit Sport, Politik und Ratgeber-sendungen. Die gesamte Unterhaltungsindustrie mit Touristik und Sport hat nur ein Ziel… uns vom Denken abzuhalten.
Halt wie im alten Rom: Brot und Spiele.
Bitte nicht falsch verstehen, Ablenkung und Entspannung muss von Zeit zu Zeit sein, wenn man auch Freiräume für sich selbst schaffen kann. Wenn das Kind von Anfang an lernt mit sich allein auszukommen, sich selbst zu beschäftigen, hat es schon eine gute Basis für das Erwachsen-werden, kann Alleinsein gut aushalten und braucht nicht die Bestätigung und Anerkennung von jedem (auch denen, die ihm nicht gut tun), weil es bis hierhin schon ein eigenes Selbstbewusstsein erworben hat.
Alleinsein und der Rückzug in die Einsamkeit haben sehr viel mit der Suche nach dem Sinn des Lebens zu tun. So möchte ich mit einem Gedanken von Leo Tolstoi schließen:
„Auf der höchsten Bewusstseinsstufe ist der Mensch allein. Eine solche Einsamkeit kann sonderbar, ungewöhnlich, ja auch schwierig erscheinen. Törichte Menschen versuchen, sie durch die verschiedensten Ablenkungen zu vermeiden, um von diesem erhabenen zu einem niedriger gelegenen Ort zu entkommen. Weise dagegen verharren mit Hilfe des Gebetes auf diesem Gipfelpunkt.“
Hier sprechen Sie wirklich ein wichtiges Thama an!
Ich persönlich unterscheide zwar noch zwischen Alleinsein und einsam sein, da sich der Depressive oft auch in Gesellschaft einsam fühlen kann, der Gesunde, der sich nur zurückzieht aber auch im Alleinsein nicht einsam sein muss.
Das Bespaßen oder das ständige Fordern unserer Kinder ergibt zukünftig sicherlich noch erhebliche Probleme. Meine Kinder haben noch gelernt sich zu „langweilen“ und das war immer ihre kreativste Zeit. Ich denke, es ist auch sehr wichtig, dass man rechtzeitig lernt, sich selbst nicht als Nabel der Welt zu sehen. Ich denke, sich zurücknehmen können und dabei nicht zu verzweifeln ist eine der wichtigsten Eigenschaften für ein psychisch gesundes Leben.
Lieben Gruß!
Ich schließe mich an, ich unterscheide auch das Alleinsein und einsam sein. Alleinsein kann sehr schön sein, man muss es nur gelernt haben. Ich bin so froh, dass mir als Kind das Alleinsein nicht verwehrt wurde. So konnte ich meine Phantasie spielen lassen, kam gestärkt und zufrieden wieder in den Kreis meiner Lieben zurück, war eine zeitlang selbstbestimmt allein aber nicht einsam. Wir wurden auch nicht rund um die Uhr bespasst, was ich bestimmt nicht ertragen hätte.
In einer Menschenmenge kann man dagegen sehr einsam sein. Dazu muss man noch nicht einmal depressiv sein.
Warum taumeln viele von einer Partnerschaft in die andere? Sie haben es nicht gelernt, mit sich allein auszukommen und sind dann nach kurzer Zeit wieder enttäuscht. Nur wer lernt, mit sich allein im Reinen zu sein wird diesen Zustand annehmen und geniessen und sich nicht selbst bemitleiden.
Ich persönlich freue mich über Kontakte mit anderen Menschen und dann bin ich glücklich über mein Alleinsein, je nachdem.
Ich bin schon in meiner Kindheit sehr viel alleine gewesen und musste mich zwangsläufig selbst beschäftigen, weil ich a) oft nicht weg durfte und b) auch selten jemand zum Spielen zu mir kam. Meine Mutter arbeitete früh morgens und spät abends in der Gastronomie und wollte tagsüber einfach ihre Ruhe haben. Somit beschäftigte ich mich alleine, war sehr kreativ und spielte die tollsten Geschichten. Meiner Phantasie waren keine Grenzen gesetzt. Ich habe es nie negativ empfunden, denn ich war eigentlich gar nicht alleine. Im eigenen Rollenspiel war ich so viele Personen oder Tiere, dass mir das Alleinsein gar nicht auffiel! Mit meiner eigenen Familie bin ich sehr gerne zusammen und doch bin ich zwischendurch immer mal wieder gerne ganz alleine. Auch ich besinne mich dann auf mich selbst und genieße es. Im Alleinsein bekomme ich neue Ideen und Inspirationen. Einsamkeit habe ich noch nie gefühlt.
Ich gehe offen auf andere Menschen zu und mag den Dialog mit ihnen, deshalb ist mir Einsamkeit wohl auch fremd.
Ich freue mich über so viel Zustimmung und sehe, dass gerade kreative Menschen Alleinsein genießen und für sich nutzen. Für mich bedeutet auch die Einsamkeit nur Entzug von äußeren Reizen. Und genau das brauche ich von Zeit zu Zeit um meine Kräfte wieder für neue Dinge zu sammeln. Ich denke, die Mischung macht es.
Alles Liebe an die Kommentatoren und bleibt so wie Ihr seid.